1943 bin ich als 2. Kind meiner Eltern in Jastrow, Kreis Deutsch-Krone (Pommern) geboren. 1945 nach Kriegsende, sind wir aus unserer Heimat vertrieben worden. Meine Mutter zog mit meinem 1 ½ Jahre älteren Bruder und mir im großen Flüchtlingstreck nach Westen.

Es war, nach den Erzählungen meiner Mutter, ein beschwerlicher Weg, denn auch die deutschen Soldaten flüchteten aus Russland kommend und machten sich den Fluchtweg oft gewaltsam frei. Der Treck bestand zum größten Teil aus Frauen mit Kindern. Es gab kaum was zu Essen und viele Kinder schrieen vor Hunger, somit kam bei den Müttern auch Verzweiflung auf. Meine Mutter war der Versuchung nahe, einen Schlussstrich zu machen und mit mir und meinem Bruder in die zu überquerende Oder zu springen. Doch zum Glück wurde sie davon abgehalten.

Schließlich landeten wir im Raum Schleswig – Holstein in Eutin. Dort fand meine Mutter beim „Gutsherrn Lange“ Arbeit und Unterkunft für uns.

Daran kann ich mich gut erinnern, denn es gab endlich was zu essen, und Weihnachten kam der Nikolaus auch in unsere bescheidene Unterkunft. Es war ein Raum mit einem Bett für meine Mutter und ein Etagenbett für meinen Bruder und mich.

1946 zogen wir nach Möllen am Niederrhein und wurden beim Bauern Weghaus an der Schwanenstraße einquartiert. Dort arbeitete meine Mutter im Haushalt und im Garten und wir Kinder tollten in der Scheune herum.

Als unser Vater aus dem Krieg zurückkehrte und bei uns eintraf, wurde es knapp mit der Unterkunft und wir zogen dann in die Rahmstraße 46 zur Familie Schmitz. Ein Schlafzimmer und ein Wohn- und Esszimmer in der oberen Etage war nun unser Lebensraum. Unten im Stall war ein Plumpsklo für alle Hausbewohner. Im Winter war es sehr kalt am Allerwertesten.

Trotzdem war es eine schöne Zeit nach den Fluchtstrapazen. Mein Vater arbeitete trotz allem noch weiterhin beim Bauern Weghaus und versorgte uns mit Kartoffeln, Eiern und Milch. Meine Eltern entschlossen sich, Schafe und Hühner im Stall von Frau Schmitz zu halten. Ein Stück Land wurde auch zusätzlich bearbeitet, so dass Gemüse und Futter für die Tiere geerntet werden konnte. Aus dem Schmutzkanal der Ruhrchemie, der zum Rhein geleitet wurde, holten wir den schwarzen Schlamm heraus und trockneten ihn, um Brennmaterial für den Ofen zu haben. Auch Holz aus dem nahegelegenen Wald wurde kleingehackt und die Holzscheite zum Schober aufgestapelt. Samstags mussten wir Kinder immer den Hof vor dem Hauseingang sauber harken.

An der nahegelegenen Bahnüberführung war ein Schrankenwärterhäuschen, das für uns Kinder sehr interessant war, weil der Schrankenwärter, Herr Öttermann, uns öfter die Bahnschranken an der Rahmstraße herunter drehen ließ, wenn ein Zug die Straße passierte. Er machte sich auch einen Spaß daraus, uns mit dem Nachrichtentelefon einen leichten Stromschlag zu versetzen, wenn man die Kupferdrähte anfasste und er an der Telefonkurbel drehte.

Im Herbst haben mein Bruder, meine Mutter und ich auf dem gegenüberliegenden Acker immer beim Kartoffellesen geholfen. Es war wie ein Wettrennen, wer zuerst die Kartoffelreihe abgeerntet hatte. Am schönsten war dann immer die Pause, wenn die Bäuerin kam und belegte Brote mit Schinken und Käse und Kaffee brachte. Außerdem bekamen wir Kinder noch Kirmesgeld für die Erntehilfe.

Am 1.4.1949 wurden mein Bruder und ich in die Volksschule Möllen eingeschult. Diese Schule lag von uns aus hinter dem Bahnübergang an der Rahmstraße und wurde von Jungen und Mädchen besucht. Unsere Lehrerin hieß Frau Hoffmann und unterrichtete recht spannend über Heimatkunde, Rechtschreibung und Lesen. Auch die Diktate waren immer interessant, weil der beste immer zuerst nach Hause durfte. Nach dem 4. Schuljahr wurde in der Siedlung Möllen eine neue Schule eröffnet und wir mussten dann vom 5. Schuljahr im Sommer 1953 in diese Schule, wo wir auch eine andere Lehrerin bekamen und die Zeugnisnoten auch viel schlechter ausfielen, durch Frau Gürtler.

Nachdem mein Vater beim Bergwerk Walsum Arbeit gefunden hatte, konnten wir auch eine neue Wohnung in Voerde, Buschmannshof beziehen, wo wir Kinder ein eigenes Zimmer hatten. Dadurch erfolgte wieder ein Schulwechsel, nach Voerde, Steinstraße in die Pestalozzischule bei Frau Martha Heyenberg. Hier waren die Zeugnisnoten in etwa gleich. Frau Heyenberg wohnte damals in Friedrichsfeld und fuhr vom Bahnhof Voerde mit dem Zug. Weil mein Bruder und ich im Buschmannshof wohnten und die Bahnlinie überquerten, mussten wir nach Schulschluss Frau Heyenbergs schwere Aktentasche zusätzlich zu unserem Tornister bis zum Bahnhof abwechselnd tragen. Es hat uns nicht geschadet.

Ab dem 7. Schuljahr, also 1955 wechselten wir in die „Alexanderschule“ oder evangelische Volksschule Voerde an der Alexanderstraße. Dort unterrichtete uns Lehrer Steinert.

Im Buschmannshof hatten meine Eltern ebenfalls Viehzeug wie Schafe, Hühner, Gänse und sogar ein Schwein gehalten und sogar geschlachtet. In der Gemeinschaftswaschküche wurde Wurstbrühe gekocht und Panhas gemacht. Die fertigen Würste und der Schinken kamen in die Räucherkammer. Die selbstgemachte Wurst schmeckte viel besser wie die gekaufte. Leider mussten mein Bruder und ich abwechselnd immer mit dem Sack und einer Sichel losziehen und Grünfutter mähen für unser Vieh. Oder Schafe hüten, wobei die Nachbarskinder Fußball spielten auf dem Bolzplatz im Buschmannshof.

Im ev. Gemeindehaus an der Friedhofstraße ging ich 2 Jahre zum Konfirmandenunterricht und wurde 1957 von Pfarrer Wolfgang Petri konfirmiert. Im selben Jahr wurde ich auch aus dem 8. Schuljahr aus der Schule entlassen und begann am 1. April 1957 bei Babcock Wilcox Dampfkesselwerke eine Lehre als Schmelzschweißer, die ich auch nach drei Jahren erfolgreich abgeschlossen habe. Das Werk nannte sich Jurenka-Werk Friedrichsfeld.

Nach der Lehre bin ich unbefristet übernommen worden. 1962 bekamen meine Eltern von der Zeche Walsum ein Angebot, in eine Doppelhaushälfte nach Walsum-Vierlinden zu ziehen, mit Stallungen und Garten. Somit zogen wir von Voerde nach Walsum. Ich fuhr mit Straßenbahn und Zug nach Friedrichsfeld zur Arbeit. 1963 wurde ich für 18 Monate zum Wehrdienst nach Bremen-Schwanewede einberufen und zum Panzergrenadier ausgebildet. Nach Beendigung arbeitete ich weiter bei Babcock.

Beim Tanzen in Hamborn lernte ich meine heutige Ehefrau kennen und heiratete 1967. Als das erste Kind kam, brauchten wir eine Wohnung und bewarben uns bei meiner Firma. 1968 kam unsere Tochter zur Welt und wir bezogen im selben Jahr eine Werkswohnung in Friedrichsfeld an der Spellener Str. 71. So kam ich wieder zurück nach Voerde. Hier fühle ich mich sehr wohl, weil auch viele Arbeitskollegen aus dieser Gegend kommen. Mit der Zeit wurde die Wohnung zu klein weil ein drittes Kind geplant war und wir zogen in eine 80 m² – Wohnung an der Bülowstr. 61, wo wir heute noch wohnen. Während meiner Berufszeit engagierte ich mich gewerkschaftlich und wurde von den Kollegen in den Betriebsrat gewählt, dem ich zwei Wahlperioden lang angehörte. Gleichzeitig wurde ich neben meiner beruflichen Tätigkeit auch Stellvertreter des Vertrauensmanns für Schwerbehinderte.

In meiner Freizeit betreute ich auch einige Jahre Fußballjugendmannschaften, was sehr viel Spaß machte, weil man mit anderen Eltern der Fußballer Auswärtsspiele besuchte und auch zu Hause Turniere unterstützte. Im Schützenverein „Alter Emmelsumer“ bin ich Mitglied, weil ich die Geselligkeit liebe und auch gerne mit meiner Frau tanzen gehe. Dem Männergesangverein Babcock gehöre ich seit vielen Jahren an, weil ich gerne singe. Um eine neue Heimat zu finden, muss man sich eben in Vereinen oder Gemeinschaften beteiligen. Mein Interesse gilt auch der Kommunalpolitik, sowie dem VdK als Sozialverband und den Bedürfnissen älterer Menschen und engagiere mich im Seniorenbeirat der Stadt Voerde. Einmal im Monat ist auch ein Treffen der IGM-Rentner in Dinslaken vorgesehen. Zusätzlich wird ein mal wöchentlich Skat gedroschen. Somit endet mein Weg hier in Friedrichsfeld.

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