Wir Donauschwaben waren immer Pioniere und Brückenbauer!
(Zitat des Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch)

Meine Familie lebte in dem Ort Brestowatz, einem Flecken östlich der Donau irgendwo in Serbien (Vojvodina) und war seit Jahrhunderten (gegründet von deutschen Einwanderern 1786) die Heimat der überwiegend katholischen “Volksdeutschen”, sogenannten Donauschwaben (Batschka ein Teilbereich im ehem. Österreich-Ungarn).
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Unerwähnt lassen möchte ich auch hier nicht, dass der heutige Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch aus einem Nachbarort stammt. (Zu ihm lassen sich auch noch weitläufig verwandtschaftlichte Beziehung in meinem Stammbaum herstellen lässt, dass nur am Rande bemerkt).

Die meisten Einwohner arbeiteten in der Landwirtschaft, auch Vater arbeitete zunächst bei seinen Eltern, die hatten ein größeres Anwesen.

Vater hatte durch seine Eltern die finanziellen Möglichkeit für seine Familie - mit viel Eigenleistung - 1937 ein Haus zu bauen (ebenso sein älterer Bruder Franz) und übernahm 1937 anteilmäßig mit Franz die landwirtschaftlichen Flächen der Eltern. Beide bewirtschafteten sie weiter bis zu ihrer Rekrutierung zum deutschen Militär (das seinerzeit die Batschka besetzt hielt) am 19.9.1944.
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Als sich im Oktober 1944 die deutschen und ungarischen Truppen hinter die Donau zurück zu ziehen begannen, wurde auch die Deutschen aus Brestowatz zum Verlassen (es wurde zunächst gesagt „nur ein paar Tage“) ihrer Heimatgemeinde aufgefordert. Dies geschah offenbar für die Mittelbatschkaer Verhältnisse recht früh.

Schon am 8 Oktober 1944 begab sich ein Treck mit 1.350 Zivilpersonen auf die Flucht, darunter meine Mutter (37 Jahre), meine beiden Schwestern Veronika 15 Jahre und Anni 13 Jahre, mit der Nachbarfamilie (Frau mit 2 Kindern) sowie meine Oma (66 Jahre, Mutter meines Vaters) und meine Tante Rosalia mit ihren beiden Kindern (15 und 12 Jahre) auf dem zweiten Pferdeführwerk der Fam. Göttler/Engert in nördliche Richtung zur ungarischen Grenze, unter der Leitung von Paul Deutschle.
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Der Treck sollte bei der nächsten bietenden Gelegenheit über die Donau gebracht werden, leider war die angefahrene Brücke in der Stadt zerstört. So mussten sie unverrichteter Dinge weiter Richtung Ungarn. Durch eine kleine Planänderung konnten sie in einer anderen Stadt die Donau überschreiten (tägliches Reisepensum ca. 60 km). Danach gab es den ersten kurzen Aufenthalt (natürlich bei Nacht) für Mensch und Tier.

Wegen Überanstrengung der Pferde mussten mehrere Familien daraufhin ihre Reise mit dem Zug fortsetzen. (Meine Mutter hatte mit ihrem Gespann ein Achsenbruch und musste den erst beheben lassen, daraufhin konnte sie ihre Flucht erst einen Tag später fortsetzen und fand wieder Anschluss an die Gruppe.)

Der Treck aus Brestowatz wurde kurz vor der österreichisch - ungarischen Grenze geteilt. Eine der Gruppen unter der Leitung von P. Deutschle (718 Personen, 108 Wagen und 212 Pferde) erreichte am 26 Oktober 1944 St. Pölten/Österreich.

Die andere Gruppe unter der Leitung von Sebastian Leicht reiste Richtung Buttweis/Sudetenland weiter nach Schlesien. Danach wurden sie gezwungen, wieder über Ungarn nach Jugoslawien/Serbien zurückzukehren. Einige kamen sogar in russische bzw. serbische Arbeitslager, wo sie unter Führung der Tito-Partisanen sehr traktiert wurden. Die, die das überlebten kamen später auch wieder frei und sind dann nach Deutschland/Österreich entlassen worden.

goettler vaterDer Treck mit P. Deutsche, darunter auch meine Familie kam über Linz nach Grieskirchen und Umgebung (Oberösterreich) am 31. Oktober 1944 nach all den Strapazen glücklich an und wir fanden zunächst im Auffanglager für Vertriebene aus ganz Südost- und Osteuropa Unterkunft.

(Im Bild links mein Vater.)

Knapp ein Drittel der ca. 5.500 deutschstämmigen Bewohner aus Brestowatz ließen sich evakuieren (mein Opa, 67 Jahre, wollte sein Hab und Gut nicht verlassen, zumal er sich vorher noch am Fuß verletzt hatte. Er starb im September 1947 (70 Jahre) in Rudolfsgnad, in einem Internierungslager das von den Tito-Partisanen geführt wurde. Auf der Flucht starben übrigens 17 Brestowatzer.)

In Grieskirchen und Umgebung „Hofkirchen“ wurden wir zunächst in Holzbarackenlager untergebracht, später bei den Einheimischen i. d. Landwirtschaft aufgeteilt bzw. einquartiert (ältere Personen, auch meine Oma, blieben im Lager), dies war bei uns der Fall als mein Vater nach seiner Verwundung am 22.4.1946 (1. J. nach Kriegsende) aus amerik. Gefangenschaft entlassen wurde, um dort unser „tägl. Brot“ zu verdienen (das wurde der erste Neustart der quasi wieder bei „Null“ anzufangen).

In den o. g. Lager, wo wie schon gesagt alle Vertriebenen zunächst ein erstes Zuhause fanden, lernte meine ältere Schwester Veronika ihren späteren Ehemann kennen, der aus Breslau stammte. Veronika bekam auch sehr früh, wie meine Mutter (außer mich) ihre Kinder. Erich, der Sohn meiner Schwester war daher nur ca. ein ½ Jahr jünger als ich.

Zuerst wohnten meine Eltern und meine beiden Schwestern in der Anliegerwohnung beim Arbeitgeber meines Vaters, einem Bauern alle zusammen. Später zog Veronika mit ihrem Zukünftigen in eine gemeinsame Wohnung, die sich auf dem Hof de Bauernhauses befand. Als dort die Ställe später (1954) in Brand gerieten, fasste mein Schwager daraufhin den Entschluss sich eine Arbeit im Bergbau und zwar in Deutschland am Niederrhein in Voerde-Möllen zu suchen, um sich dort eine neue bessere Existenz aufzubauen.

Anni ist nach ihrer Schulzeit zur unserer Tante (Schwester meiner Mutter) nach München gezogen, um dort eine Arbeit aufzunehmen.

Ich selbst bin im Oktober 1949 in Grieskirchen Oberösterreich geboren. Kurz nach meiner Geburt erkrankte meine Mutter (39 Jahre alt) schwer und wir konnten die geplante Überseereise/Ausreise nach Chicago nicht antreten. (Apropos: Viele vertriebene Donauschwaben haben sich in jener Zeit auf allen Kontinenten niedergelassen).

Ich besuchte zunächst die katholische Volksschule in St. Marienkirchen/Oberösterreich, ab 1955 bis zum 20.8.1956, am 21.8.1956 ist der Antrag zur Familienzusammenführung nach Deutschland (das Land unseres Ursprungs, ursprünglich aus der Umgebung von Horb bei Stuttgart) zum tragen gekommen, den mein Vater vor vielen Monaten gestellt hatte. Wir konnten zunächst nach Passau in einem sogenannten Durchgangslager in Schalting für ein paar Tage unterkommen (im wahrstem Sinne Lager; Holzbaracken mit großen Räumlichkeiten, dazu Etagenbetten für Familien nur durch Decken als Sichtschutz getrennt).

Wie gesagt, „Gott sei Dank“ ginge es schon nach ein paar Tagen wieder mit dem Zug auf nach Aurich/Ostfriesland in den Stadtteil Sandhorst, wo ich vom 17.9.1956 - 22.3.1957 in die Lagerschule (das Wohnumfeld war früher eine Kaserne) ging und wo meine geliebte Mutter mit 47 Jahren am 16.1.1957 an ihrer schweren Krankheit verstarb.

Am 24.3.1957 trafen wir bei meiner Schwester Veronika in Möllen am Kampshof ein und wurden zunächst im Kinderzimmer (3 Personen, Oma, Vater und ich) einquartiert.

Einige Monate später bekamen wir eine 2 1/2 Zimmer-Wohnung auf der gegenüberliegenden Straßenseite, die gerade wie viele andere Häuser für zuziehende Bergarbeiter, für die Schachtanlage Walsum errichtet wurden (damals war eine richtige Aufbruchstimmung in Möllen, zu besten Zeiten hatte der Ortsteil über 5000 Bewohner, als arbeitssuchende Menschen aus ganz Deutschland hinzukamen).

Ich bin nach einer kurzen Anpassungsphase vom 24.3.1957 - 31.3.1964 in die katholische Volksschule in Möllen gegangen, was ich zum Schluss noch genossen habe, (u.a. wegen des zuletzt sehr engagierten Klassenlehrers, der sich sehr in den Unterricht eingebracht hat und der später zur Realschule bzw. zum Gymnasium wechselte).

Habe danach eine Ausbildung bei degoettler vanr Firma Babcock begonnen und auch abgeschossen, später habe ich auf dem sogenannten zweiten Bildungsweg diverse Fachschulen und auch die Meisterschule besucht, im November 1980 habe ich geheiratet und im Jahre 1981 ist meine Tochter Vanessa (Vanessa heiratete im August 2008 ihren Jan S. und wohnt auch in Voerde) geboren wurde. (Die Mutter von Vanessa ist eine geborene Niederrheinerin.) 1994 habe ich die Tochter einer ebenfalls vertriebenen Donauschwäbin (ein Zufall) geheiratet und bin jetzt mit Elfriede in Voerde glücklich und im Unruhestand (habe viele Ehrenämter und engagiere mich im Sozialbereich und u. a. in der Seniorenarbeit, sowie in der Familien- und Ahnenforschung).

Bis auf ein paar Abstecher in einigen umliegenden Städten (u. a. Dinslaken und Wesel) wohne ich ca. 55 J. hier in meiner Heimat Voerde.

Ich habe jetzt das erste Mal überhaupt im September 2011 eine fünftägige Busreise mit einer 48köpfigen Gruppe zur 225 Jahrfeier der Gründung des Ortes Brestowatz/Ulmenau gemacht und die Geburtsstätte meiner Eltern und Großeltern besucht. Es waren prägende Eindrücke, die immer noch verarbeitet werden müssen.

Heimat ist da wo man sich wohlfühlt!

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