Adalbert Werner Rähse, von Beruf: Schlosser, geboren am 12.02.1929 in Nordenburg (Kreis Gerdauen) Ostpreußen

Adalberts Eltern hatten eine gut gehende, eigene Gärtnerei in Ostpreußen. Arbeit gab es im Überfluss. Die Brüder Adalbert und Hans - Joachim Rähse lernten früh, was harte Arbeit bedeutet. Die Schule war absolut zweitrangig. Die Mutter (von Beruf Hebamme) hatte nur wenig Zeit für ihre beiden Jungs. Es war geplant, dass Adalbert später einmal ein Tankstellenbesitzer werden sollte und sein Bruder sollte die Gärtnerei bekommen. Doch es kam alles ganz anders.

In den Kriegsjahren war es so, dass sich die Jungen zum Jungvolk meldeten. Das war Pflicht! Beim Jungvolk lehrte man den jungen Menschen folgenden Spruch, welchen Adalbert unzählige Male in der Vergangenheit aufsagte:

„Lass mich gehen, Mutter, lass mich gehen!"
All das Weinen kann uns nichts mehr nützen,
denn wir gehen um das Vaterland zu schützen!
Lass mich gehen, Mutter, lass mich gehen.
Deinen letzten Gruß will ich vom Mund dir küssen:
Deutschland muss leben, und wenn wir auch sterben müssen!"

(Heinrich Lersch — Arbeiterdichter, 1889 - 1936)

In Königsberg mussten die jungen Menschen sogenannte „Ein-Mann-Löcher" graben. Täglich mit der selben Kleidung solche Arbeit verrichten, bedeutete: Verschleiß der Kleidung. So bekamen die jungen Menschen Militäruniformen.

Auch Adalbert ging in Uniform arbeiten. “Der Russe” kam immer näher. Die Russen verschleppten eines Tages alle Uniformträger. Adalbert war dabei. Er war der Jüngste. Er war 15 Jahre alt. Bis zu seinem neunzehnten Lebensjahr, also vier Jahre lang, wurde Adalbert als Gefangener in Russland festgehalten.

Zu Anfang bekamen viele Gefangene die Krankheit Ruhr. Die kranken Menschen wurden mit nur einer Decke in eine Halle gelegt. Hier gab es nur einen kleinen Ofen. In der Halle war es bitterkalt. Man ließ die Menschen dort einfach sterben. Wenn wieder jemand starb, nahm man dem Toten die Decke weg und auch Adalbert wusste sich nicht anders zu helfen. Am nächsten Tag waren alle tot, außer Adalbert. Er hatte als einziger überlebt. Adalbert hatte, Gottlob, nicht diese schreckliche Krankheit. Trotzdem war er fürchterlich abgemagert und völlig erschöpft.

Bestimmt wäre Adalbert gestorben, wenn er nicht diesen besonderen Mann, diesen Abenteurer kennen gelernt hätte. Dieser Mann war ein Waldarbeiter. Er sammelte Beeren für Adalbert. Überhaupt gab es für diesen Mann immer einen Weg, an Nahrungsmittel zu kommen. Musste er auch stehlen, tauschen, lügen, betteln oder einfach nur dreist und flink sein. Doch nur so konnte er und auch Adalbert überleben. Adalbert wörtlich: „Ohne ihn wäre ich verhungert!"

Unglaublich grausam war: Die Gefangenen, mussten in einem Kartoffelsilo arbeiten. Der Hunger war so groß, trotzdem durften die Gefangenen keine Kartoffel essen. Während zwei Gefangene heimlich im Silo die Kartoffeln natürlich mit Schale auf einer Reibe rieben, achteten die anderen Gefangenen darauf, dass niemand sie störte oder entdeckte. Der Kartoffelbrei wurde in Leinentücher gelegt und diese kalte, nasse Masse wickelten sich die Gefangenen um den Körper. Erst spät in der Nacht, wurde in dem Schlaflager leise über dem Feuer aus dem geriebenen Kartoffelbrei, Kartoffelpuffer gemacht und diese dann endlich gegessen.

Als Adalbert nach vier Jahren Gefangenschaft endlich frei war, suchte er seine Eltern. Er fand sie in Leipzig. Doch die Bevormundung seiner Eltern passten ihm gar nicht. Er war nun ein Mann und er hatte sich stark verändert. Er sagte: „Ich war vier Jahre ohne euch, allein in der Hölle. Nun geh ich meinen Weg alleine weiter.“

In einem Auffanglager sammelte man Männer, die Arbeit suchten. So kam Adalbert nach Lohberg. Er wohnte in einem sogenannten Ledigenheim und er arbeitete im Kohlebergbau. Schon bald bescheinigte ein Arzt, dass Adalbert eine Allergie gegen Kohlenstaub hatte. Seine Lunge verpackte die Luft, die voller Kohlenstaub war nicht. Adalbert suchte nach anderer Arbeit. Er fand sie bei Meister Behrendt. Hier lernte er den Beruf des Schlossers.

(Der Wahnsinn: 1999 machte Adalbert mit seiner Frau Urlaub. Hier traf er eine Urlauberin namens Annie. Es stellte sich bei einem Gespräch heraus, das diese Annie zur gleichen Zeit als Dienstmädchen bei Meister Behrendt gearbeitet hatte wie Adalbert. Die Beiden sind sich damals aber nie begegnet. Was für eine Ironie des Schicksals. Von da an herrschte ein reger Briefwechsel zwischen den beiden.)

Irgendwann arbeitete Adalbert auch bei Thyssen. Er war sehr fleißig und er bekam eine schriftliche Empfehlung. So fing er 1957 bei Babcock an zu arbeiten.

In Dinslaken bei einer Tanzveranstaltung lernte Adalbert seine zukünftige Frau Gertrud kennen. Geheiratet haben Adalbert und Gertrud Rähse (geb. Neu) am 12.02.1955. Getraut wurden sie von Pfarrer Wolfgang Petri.

Adalbert war der absolute Familienmensch. Er liebte Kinder über alles. Er war in Voerde nie arbeitslos und stets für seine Lieben da. Die große Verwandtschaft seiner Ehefrau war Adalbert sehr recht. Dieser lebensbejahende, fröhliche Mensch feierte und tanzte leidenschaftlich gern. Bei der großen Familie kein Problem. Er verstand sich besonders gut mit dem einzigen Bruder seiner Frau. Doch auch mit den vier Schwestern seiner Ehefrau kam er gut zurecht.

Er machte aus dem vernachlässigtem Haus der Schwiegereltern in über dreißig Jahren ein moderneres Haus. Aus einem Teil des Grundstücks machte er so nach und nach einen Garten Eden. Die Schwiegereltern waren nicht immer mit den Plänen des quirligen Schwiegersohnes einverstanden. Doch die Ideen und die damit verbundenen Erleichterungen, waren bei der vielen Arbeit auf dem großen Hof schon sehr, sehr hilfreich. Besonders im Jahr 1964 bekam das Haus endlich ein neues, modernes Badezimmer. In jedem Raum gab es auf einmal eine Heizung.

Beim Geburtstag der Schwiegermutter, oder wenn das Schützenfest war, wimmelte der Hof vor Menschen. Adalbert war nirgendwo ein Mitglied. Er war einfach kein Vereinsmensch, aber der Schwiegervater war es.

Es gab etwas, wovor Adalbert Rähse (als er älter wurde) richtig Angst hatte. Er hatte keine Angst vor dem Tod, aber er hatte Panik bei dem Gedanken langsam und über Jahre hinweg sterben zu müssen. Der Gedanke gepflegt werden zu müssen, zwar für ihn unerträglich. Doch Gott hatte Erbarmen. Adalbert Rähse starb am 2.6.2001 in Voerde mit 72 Jahren in den Armen seines Sohnes durch einen Herzinfakt. Bestimmt starb er zu früh, aber dafür glücklich als Vater von drei Kindern und fünf gesunden Enkelkindern.

Adalbert Werner Rähse hatte sein Glück in Voerde gefunden!

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